USA
Vor dem Merz-Besuch – Die Lage in Trumps Amerika

Die US-Flagge vor dem Supreme Court.
© picture alliance / AP Photo | Alex BrandonWenn Friedrich Merz zum ersten Mal als Bundeskanzler die USA besucht, kommt er in ein Land, das seit dem Amtsantritt Donald Trumps von immer neuen Anordnungen des Präsidenten, von Gesetzesvorhaben, von Veränderungen in allen Teilen der Exekutive, von Streichungen oder Kürzungen vieler staatlicher Programme permanent in Atem gehalten wird. Welche Entwicklungen sind zu identifizieren, was ist eher Theaterdonner und was wird langfristig Bestand haben? Diese Fragen sind nicht nur für die USA wichtig, sondern auch für Deutschland und alle anderen Länder, die mit der Politik der Supermacht USA, die weiter ein wichtiger Partner bleibt, umgehen müssen.
Fast alles von dem, was Trump seit seinem Amtsantritt angegangen ist, hat er im Wahlkampf angekündigt. Überraschen konnte höchstens das Tempo, mit dem er agiert und mit dem er durch bisher 157 „Executive Orders“ dem Land seinen Stempel aufdrücken will. Wenig überraschen kann dagegen, dass er und seine Regierung jetzt auf vielen Feldern spüren, was das System der Checks and Balances ausmacht – wie jeder Präsident vor ihm. Zudem zeigen sich durchaus interne Gegensätze in seiner Regierung, seiner Partei und seiner gesamten Koalition.
Der Politikstil von Donald Trump unterscheidet sich stark von dem vieler seiner Vorgänger. Er arbeitet mit großspurigen Ankündigungen, mit Attacken auf Personen, Organisationen und Institutionen. Er beruft sich immer wieder auf das demokratische Mandat, das er durch die Wahlen erhalten hat, und testet mit diesem Argument die Grenzen aus, die die Verfassung ihm setzt. All das haben auch Präsidenten vor ihm getan, jedoch nicht annähernd in dieser Intensität.
Das Handeln seiner Regierung, seiner Minister, Berater und Agenturchefs wirkt bis heute in vielen Fällen nicht immer professionell, zuweilen chaotisch. Dazu haben seine Personalauswahl, die vor allem auf Loyalität setzte, und der Anspruch, möglichst disruptiv Staatsaufgaben zurückzuschrauben, die aus Sicht Trumps und seiner Anhänger unnötig sind, beigetragen. Disruption ist etwas, was viele seiner Wählerinnen und Wähler gewollt haben – es bleibt abzuwarten, wie stark sie diese noch unterstützen, wenn die eigenen, vor allem wirtschaftlichen Interessen darunter leiden.
Gleichzeitig setzt Präsident Trump auf das, was er selbst wohl „The Art of the Deal“ nennen würde – auf Verhandlungen, in denen er versucht, eigene Stärken auszuspielen und die Schwäche anderer auszunutzen. Das zeigt sich exemplarisch bei der Zollpolitik – einem Feld, das andere Staaten stark betrifft.
Zölle als Instrument der Wahl
Donald Trump glaubt an Zölle – aus zwei Gründen: Er sieht es als wichtiges Ziel an, wieder mehr Industriearbeitsplätze in den USA zu haben, die USA unabhängiger von Importen zu machen. Zudem ist er der festen Überzeugung, dass Handelsbilanzdefizite ein Zeichen dafür sind, dass die USA von ihren Partnern übervorteilt werden. Hinzu kommt seine tiefe Skepsis gegenüber multilateralen Organisationen und Abkommen, die Trump mit großen Teilen seiner Unterstützer teilt. Deshalb wird es ein Zurück zu einer Welt des weitgehenden Freihandels mit Trump und seiner Regierung nicht geben. Für die EU und andere Handelspartner heißt das zweierlei: In den Verhandlungen mit den USA die bestmöglichen „Deals“ finden, gleichzeitig Abkommen und Bündnisse mit gleichgesinnten Partnern entwickeln, gegebenenfalls auch ohne die USA.
Die Zollpolitik ist in den USA selbst, auch unter den Anhängern Trumps, nicht unumstritten. Sie widerspricht praktisch allen wirtschaftspolitischen Lehren und Überzeugungen, für die die Republikanische Partei lange stand. So hat Elon Musk, selbst Zentrum vieler Kontroversen, sich öffentlich deutlich gegen viele der Zollmaßnahmen ausgesprochen, und Trumps Handelsberater, Peter Navarro, scharf attackiert. Es gibt zudem verschiedene Klagen gegen die Zölle, die die Kompetenz des Präsidenten infrage stellen, Zölle ohne Zustimmung des Kongresses einzuführen. Sie werden die Bundesgerichte bis zum Obersten Gericht intensiv beschäftigen.
Big Beautiful Bill – mehr Verschuldung, wenige Einsparungen
Das Haushaltsgesetz, das von Trump gewollte große, wunderschöne Gesetz mit all seinen Prioritäten, wurde von der republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus mit einigen Veränderungen zum ursprünglichen Entwurf verabschiedet. Im Senat wird es noch einige Änderungen erfahren. Es zeigt die inneren Widersprüche der regierenden Partei: Zwar werden, wie versprochen, die Steuererleichterungen aus Trumps erster Amtszeit verlängert. Zudem werden deutlich mehr Mittel für die Verteidigung sowie für die Verhinderung illegaler Migration und für Abschiebungen eingeplant. Von Einsparungen ist dagegen wenig zu sehen. Trump legte Wert darauf, insbesondere die Einschränkungen bei den staatliche finanzierten Gesundheitsprogrammen Kürzungen und Einschränkungen zu minimieren – viele seiner Wähler sind von diesen abhängig. Die Politik immer weiter wachsender Staatsausgaben wird so auch unter Trump fortgesetzt. Das birgt langfristig Gefahren sowohl für die Wirtschaftskraft als auch für die finanzielle Stabilität der USA – alle führenden Ratingagenturen bewerten die USA nicht mehr mit dem allerhöchsten Rating.
Rechtsstaat und Institutionen – Die Auseinandersetzungen beginnen erst
Gegen fast alle politischen Entscheidungen der von Trump und seiner Regierung wird vor Bundesgerichten geklagt. In vielen Verfahren konnten die Kläger einstweilige Verfügungen gegen die Umsetzung von Maßnahmen des Präsidenten erwirken. Es geht dabei u.a. um Abschiebungen ohne geordnetes rechtliches Verfahren und ohne Anhörung der Betroffenen – hier hat der Supreme Court klargestellt, dass alle Betroffenen ein Recht auf Gehör vor einem Bundesrichter haben. Gegenstand von Verfahren sind weiterhin die Entlassungen vieler tausender Bundeangestellter, um die Streichung von fest zugesagten Zahlungen an Universitäten, um das Recht, Zölle zu verhängen, um die Rechte von Anwaltskanzleien und Journalisten und um vieles mehr.
Viele Themen werden langfristige Auswirkungen auf das Rechts- und Verfassungssystem der USA haben: So wird das Oberste Gericht in einigen wichtigen Fällen präzisieren müssen, was ein Präsident ohne Zustimmung des Kongresses darf und was nicht. Die Auslegung des 14. Verfassungszusatzes (Birthright Citizenship) steht an. Aber auch die Rolle der Bundesgerichte insgesamt wird in mindestens einer Hinsicht präzisiert werden müssen: Können Bundesrichter der unteren Ebene einstweilige Entscheidungen (universal injunctions) treffen, die die gesamten USA und nicht nur die Kläger selbst betreffen?
Die Gewaltenteilung zwischen Legislative und Exekutive war schon den Vätern der Verfassung der USA sehr wichtig. Um diese politische Realität werden zu lassen, braucht es ein starkes Parlament. Die Republikaner haben im Repräsentantenhaus und im Senat eine Mehrheit, jedoch eine knappe. Die Auseinandersetzungen in beiden Häusern um das Haushaltsgesetz, aber auch Debatten um Zölle und andere Fragen zeigen, dass es dort ein Wiedererwachen des Selbstbewusstseins bei einigen Abgeordneten und Senatoren gibt, die sich auch offen gegen Teile von Trumps Politik aussprechen. Hier gilt es für Deutschland, Gesprächskanäle offenzuhalten